Umfassende Beistandschaften

Studie der HSLU stellt umfassende Beistandschaft in Frage – Reform dringend empfohlen

Im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) hat die Hochschule Luzern (HSLU) die aktuellen Massnahmen im Erwachsenenschutzrecht eingehend analysiert. Das Fazit der Studie ist deutlich: Aus rechtlicher wie praktischer Sicht ist die umfassende Beistandschaft weder zeitgemäss noch notwendig – und sollte künftig vermieden werden.

Die Anfang April publizierte Untersuchung zeigt klar auf, dass die umfassende Beistandschaft den betroffenen Personen ihre Handlungsfähigkeit vollständig entzieht – ein Schritt, der nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein darf. Der Schutz der hilfsbedürftigen Person lässt sich auch mit individuell angepassten Massnahmen sicherstellen, ohne dass dabei die Handlungsfähigkeit per Gesetz entzogen werden muss. Falls notwendig, kann diese in bestimmten Rechtsbereichen gezielt eingeschränkt werden.

Regionale Unterschiede und Aufklärungsbedarf

Im Rahmen der Studie wurde sowohl juristische Fachliteratur ausgewertet als auch eine sozialwissenschaftliche Befragung durchgeführt. Dabei traten markante regionale Unterschiede zutage: Während in der Romandie und im Tessin weiterhin vergleichsweise häufig umfassende Beistandschaften angeordnet werden, ist in der Deutschschweiz ein stetiger Rückgang zu beobachten. Entsprechend skeptischer zeigen sich die Regionen mit hoher Anwendungsrate gegenüber einer möglichen Abschaffung. Die Autoren der Studie betonen daher die Notwendigkeit, die differenzierten Formen der Beistandschaft bekannter zu machen – sowohl bei Fachpersonen als auch in der breiten Öffentlichkeit.

Im Widerspruch zur UNO-Behindertenrechtskonvention

Die Studie unterstreicht, dass die umfassende Beistandschaft nicht nur unverhältnismässig ist, sondern auch der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) widerspricht, die von der Schweiz ratifiziert wurde. Diese garantiert Menschen mit Behinderung das Recht auf Selbstbestimmung – ein Prinzip, das durch den pauschalen Entzug der Handlungsfähigkeit massiv verletzt wird.

Blickt man über die Landesgrenzen hinaus, zeigt sich: Länder wie Österreich und Deutschland haben den Systemwechsel bereits vollzogen und die umfassende Beistandschaft abgeschafft.

Zur Studie

Zurück
Zurück

ZVBB-Mitglied werden

Weiter
Weiter

Zwischen Widerstand und Dankbarkeit – die Beziehung zum Beistand